Die Psychologie der Kundenzufriedenheit und das Kano-Modell

Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind ein wichtige Kriterien zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind psychologische Variable, deren Entstehung im Folgenden vorgestellt wird. Im Fokus steht dabei das Diskonformationsparadigma zur Erklärung der Entstehung von Kundenzufriedenheit und sowie weitere psychologische Theorien, welche die Entstehung von Kundenbindung erklären. Zusätzlich wird das Kano-Modell vorgestellt, das es gestattet, wesentliche Merkmale eines Produkts zu bestimmen, welche zu Kundenzufriedenheit führen.


Kundenzufriedenheit im ökonomischen Kontext

Kundenzufriedenheit ist ein zentrales Thema eines jedes Unternehmen und stellt einen wesentlichen Baustein einer kundenorientierten Unternehmensausrichtung dar. Die Zufriedenheit von Kunden dient der Bindung der Kunden an das Unternehmen und ist somit kein Selbstzweck. In der kundenorientierten Unternehmensführung wird die Erfolgskette der Kundenorientierung zugrunde gelegt, diese besteht aus den in der folgenden Abbildung dargestellten Elementen (Bruhn, 2009).

Die Erfolgskette der Kundenorientierung geht davon aus, dass eine kundenorientierte Unternehmensführung zu Kundenzufriedenheit führt, die ihrerseits eine Stärkung der Kundenbindung bewirkt. Eine starke Kundenbindung führt zu einer Erhöhung des Kundenwerts, welcher eine ökonomische Variable im Sinn der Unternehmenssteuerung darstellt. Im Kundenwert drückt sich der monetäre Nutzen eines Kunden für ein Unternehmen aus.

Kundenzufriedenheit garantiert aber nicht zwangsläufig Kundenbindung, denn Kundenzufriedenheit ist nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für Kundenbindung. Faktoren, welche zu Kundenzufriedenheit führen, können situativer, rechtlicher, ökonomischer, technologischer oder psychologischer Art sein. Wie Kundenzufriedenheit aus psychologischer Perspektive entsteht, wird in Folgenden vorgestellt.

Psychologie der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung

Die Entstehung von Kundenzufriedenheit wird in der Literatur hauptsächlich durch das Diskonfirmationsparadigma erklärt (vgl. Nerdinger & Neumann, 2007, Hölzing, 2008). Im Diskonfirmationsparadigma wird davon ausgegangen, dass ein Kunde seine Erwartungen an ein Produkt mit seinen Erfahrungen mit diesem Produkt vergleicht. Die Erwartungen werden dabei als Sollleistung und die gemachten Erfahrungen als Istleistung bezeichnet. Entspricht nun die Sollleistung der Istleistung, führt dies zur Zufriedenheit, man spricht von einer sog. Konfirmation der Erwartungen. Wird die Sollleistung dabei wesentlich durch die Istleistung übertroffen, so entsteht besonders hohe Zufriedenheit. In diesem Fall wird von positiver Diskonfirmation gesprochen. Wird die Sollleistung durch die Istleistung nicht erfüllt, liegt negative Diskonfirmation vor und es entsteht Unzufriedenheit. Der Vergleich von Ist- und Sollleistung stellt allerdings keine punktgenaue Trennung von Zufriedenheit und Unzufriedenheit dar. Vielmehr gibt es eine Toleranzzone, in deren Bereich keine Zufriedenheit entsteht, sondern in sich der Kunde lediglich zufriedengestellt fühlt.

Der Vergleich von Soll- und Istleistung macht deutlich, dass Kundenzufriedenheit ein subjektives Konstrukt darstellt. Kundenzufriedenheit ist subjektiv, denn sowohl die Soll- als auch die Istleistung eines Produkts hängen von individuellen Faktoren ab. Die Sollleistung wird durch die Vorstellungen, die der Kunde über die Eigenschaften eines Produkts hat, festgelegt. Wichtige Determinanten für diese Vorstellungen sind z. B. persönliche Bedürfnisse, bisherige Erfahrungen, Empfehlungen, Werbeaussagen, Produktinformationen etc. Weiterhin subjektiv ist die Wahrnehmung der Istleistung durch einen Kunden. Die individuelle Wahrnehmung einer objektiv gleichen Leistung kann sich somit bei zwei Kunden unterschiedlich sein.

Nach der Kundenzufriedenheit ist die Kundenbindung der nächste Schritt in der Erfolgskette der Kundenorientierung. Aus psychologischer Perspektive ist dabei von Interesse, in welcher Art und Weise die Bindung eines Kunden an ein Unternehmen entsteht. Hierzu gibt es verschiedene Erklärungsansätze (vgl. Nerdinger & Neumann, 2007, Hölzing, 2008).

Ein Erklärungsansatz betrachtet die wahrgenommenen Risiken von Konsumenten beim Kauf eines Produkts (Kuß & Diller, 2001). Danach beinhalten Kaufsituationen verschiedene Risikoarten, wie das funktionale Risiko (z. B. ob das Produkt so funktioniert, wie sich der Konsument dies vorstellt), das finanzielle Risiko (z. B. der Preis eines Produktes ist unangemessen), das physische Risiko (z. B. Gesundheitsschäden durch bestimmte Produkte), das psychologische Risiko (z. B. die mangelnde Identifikation mit dem gekauften Produkt) und das soziale Risiko (z. B. Verlust von Ansehen durch den Kauf einer Ware). Jeder Konsument besitzt eine individuelle Toleranzschwelle für das wahrgenommene Risiko. Wird diese Toleranzschwelle überschritten, ist der Konsument bestrebt, das Risiko zu verringern. Eine Möglichkeit der Risikominderung ist der Kauf von Produkten, mit denen in der Vergangenheit schon positive Erfahrungen gesammelt wurden. Die Verringerung des wahrgenommenen Risikos bindet somit die Kunden an ein bestimmtes Produkt.

Weitere Erklärungsmöglichkeiten stellen lerntheoretische Ansätze dar. Ein lerntheoretischer Ansatz ist die Theorie der operanten Konditionierung (vgl. Schermer, 1998). Beim operanten Konditionieren wird die Auftretenswahrscheinlichkeit eines gezeigten Verhaltens erhöht, wenn darauf eine Belohnung folgt. Entsprechend wird die Auftretenswahrscheinlichkeit vermindert, wenn auf das gezeigte Verhalten eine Bestrafung folgt. Die Verstärkung kann dabei eine positive Verstärkung sein, die in der Darbietung einer Belohnung besteht oder es handelt sich um eine negative Verstärkung, die im Ausbleiben einer Bestrafung besteht. Bestrafung kann dementsprechend in der Darbietung eines aversiven Reizes oder im Ausbleiben einer Belohnung bestehen. Kundenbindung entsteht im Modell des operanten Konditionierens dann, wenn auf den Kauf eines Produkts eine positive oder negative Verstärkung folgt. Positive Verstärkung besteht hier in Zufriedenheit mit dem Produkt und negative Verstärkung besteht im Ausbleiben von Unzufriedenheit. Der Kauf des Produkts wird somit belohnt und als Folge erhöht sich die Auftretenswahrscheinlichkeit des Wiederkaufverhaltens.

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit aus dem Bereich der Lerntheorien ist die Theorie des Lernens am Modell. Beim Lernen am Modell wird Verhalten durch Beobachtung von Modellpersonen, die der beobachteten Person in den wesentlichen Eigenschaften ähnlich ist, erlernt. Beobachtet eine Person, dass auf das Verhalten der Modellperson eine Belohnung folgt, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten der Modellperson übernommen wird. Kundenbindung entsteht nach der Theorie des Lernens am Modell dann, wenn ein Konsument eine Modellperson beobachtet, die gegenüber einem Produkt Kundenbindung zeigt oder wenn der Konsument die Zufriedenheit der Modellperson mit einem Produkt beobachten kann.

Eine weitere Möglichkeit zu Erklärung von Kundenbindung bietet die Theorie der kognitiven Dissonanz. Danach besteht das kognitive System eines Menschen aus Kognitionen, die in einer relevanten oder irrelevanten Beziehung zueinanderstehen können. Stehen Kognition in einer relevanten Beziehung zueinander, so können diese Beziehungen konsonant (zueinander passend) oder dissonant (nicht zueinander passend) sein. Das Verhältnis von konsonanten und dissonanten Kognitionen bestimmt dabei den Grad der kognitiven Dissonanz. Je höher die kognitive Dissonanz, desto größer ist der Motivation, diesen zu verringern. Dies kann durch das Hinzufügen von konsonanten Kognitionen, der Änderung dissonanter Kognitionen oder einer Verhaltensänderung geschehen. Nach dem Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung kann kognitive Dissonanz entstehen und der Kunde muss seine Kaufentscheidung nachträglich rechtfertigen. Dazu kann er Informationen suchen, die seinen Kauf rechtfertigen, was dem Hinzufügen von konsonanten Kognitionen bzw. dem Abbau dissonanter Kognitionen entspricht. Dadurch wird die Kaufentscheidung gerechtfertigt und die Suche nach alternativen Produkten oder Dienstleistungen wird unterbunden, was einer Bindung des Kunden an das Produkt entspricht.

Zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung besteht somit ein Zusammenhang und Kundenzufriedenheit ist eine notwendige Voraussetzung von Kundenbindung. Aber es kann auch vorkommen, dass es Kunden gibt, die nicht zufrieden sind, aber eine Bindung an ein bestimmtes Produkt zeigen. Um diese Effekte zu erklären, wurde das Qualitative Kundenzufriedenheitsmodell von Stauss und Neuhaus (2006) aufgestellt, das auch empirisch bestätigt werden konnte. In diesem Model wird zusätzlich zur Kundenzufriedenheit auch Qualität der empfundenen Zufriedenheit mit aufgenommen. Nach dem qualitativen Kundenzufriedenheitsmodell lassen sich fünf Zufriedenheitstypen unterscheiden:

Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit

Dieses Modell wurde 1984 von dem Japaner Noriaki Kano vorgestellt, nach dem es von ihm für die Firma Konica entwickelt wurde (Kano, Nobuhiko, Fumio & Shinichi 1984). Das Kano-Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein bestimmter Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung und der Zufriedenheit von Kunden.

Kano geht in seinem Modell davon aus, dass Zufriedenheit von Kunden durch drei Faktoren beeinflusst wird. Diese drei Faktoren werden als Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren bezeichnet.

Das Kano-Modell ist grafisch in Abbildung 3 dargestellt. Auf der x-Achse ist die Erfüllung der Erwartungen an die Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren abgetragen, auf der y-Achse die dadurch entstehende (Un-)Zufriedenheit.

Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, führt die Erfüllung der Basisfaktoren nur zu dem oben genannten Zustand des Nicht-Unzufriedenseins, der durch den Nullpunkt der y-Achse festgelegt wird. Die Leistungsfaktoren tragen hingegen kontinuierlich bei positiver Diskonfirmation zum Steigen der Kundenzufriedenheit bei. Die Grafik verdeutlicht auch, dass die Erfüllung der Erwartungen in Bezug auf die Begeisterungsfaktoren nicht zu einer Unzufriedenheit führen kann, Begeisterungsfaktoren können lediglich zur Steigerung von Zufriedenheit beitragen.

Die Basisfaktoren müssen somit vorhanden sein, damit ein Kunde mit einem Produkt nicht unzufrieden ist. Das Vorhandensein der Basisfaktoren wird vom Kunden stillschweigend angenommen. Die Basisfaktoren sind aber nicht wesentlich für Kaufentscheidungen im Vergleich mit gleichartigen Produkten, da sie die grundlegenden Anforderungen darstellen, sie stellen keine Eigenschaften dar, die ein Produkt von den vergleichbaren Produkten der Konkurrenz abhebt. Die Basisfaktoren sind für Kaufentscheidungen lediglich dann relevant, wenn diese nicht vorhanden sind. Ist dies dem Kunden bekannt, dass Basisfaktoren bei einem Produkt nicht vorhanden sind, wird er sich nicht für dieses Produkt entscheiden.

Die Leistungsfaktoren sind für den Vergleich mit Konkurrenzprodukten besonders relevant, da diese vom Kunden üblicherweise erwartet werden. Das Vorhandensein eines Leistungsfaktors kann somit zur Abhebung eines Produkts zu gleichartigen Produkten der Konkurrenz dienen. Eine positive Diskonfirmation der Erwartungen an die Leistungsfaktoren verursacht Zufriedenheit, negative Diskonfirmation verursacht Unzufriedenheit. Die Differenzierung zu Konkurrenzangeboten kann somit positiv oder negativ sein, je nachdem ob Zufriedenheit oder Unzufriedenheit vorliegt.

Die Begeisterungsanforderungen sind besonders wichtig für die Abgrenzung zu Konkurrenzangeboten, da diese die Kunden begeistern können und somit als wichtiger Qualitätsvorteil erscheinen. Das Vorhandensein von Begeisterungsfaktoren wird vom Kunden üblicherweise nicht erwartet und führt zu einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Die Abwesenheit von Begeisterungsfaktoren führt hingegen nicht zur Unzufriedenheit, es geht mit der Abwesenheit allerdings ein wichtiges Argument zur Begründung eines Qualitätsvorteils verloren.

Die drei Faktoren des Kano-Modells sind im Bezug zu ihrem Beitrag zur Kundenzufriedenheit somit entsprechend ihrer Wichtigkeit geordnet. Hier liegt auch ein wesentlicher Vorteil des Kano-Modells bzw. der darauf aufbauenden Methode zu Bestimmung von Faktoren der Kundenzufriedenheit. Wenn eine Eigenschaft eines Produkts oder einer Dienstleistung als Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsfaktor bestimmt wurde, ist somit auch ihre Wichtigkeit für die Zufriedenheit der Kunden mit dem Produkt bekannt. Gleichzeit ist diese Art der Bestimmung der Wichtigkeit von Eigenschaften unabhängig von der subjektiven Einschätzung dieser Eigenschaften durch die Kunden.

Neben der objektiven Bestimmung von Produktmerkmalen bietet das Kano-Modell aber noch weitere Vorteile:

Um ein Produkt zur Zufriedenheit der Kunden zu gestalten, gilt die folgende Handlungsmaxime: Basisfaktoren müssen vorhanden sein und den Erwartungen der Kunden entsprechen, Leistungsfaktoren müssen vorhanden sein und den Erwartungen der Kunden entsprechen sowie den Leistungsfaktoren von Konkurrenzangeboten entsprechen. Begeisterungsfaktoren schließlich sollen das eigene Angebot positiv von dem Angebot der Konkurrenz differenzieren.

Welche Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung als Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsfaktor wahrgenommen werden, kann in verschiedenen Kundensegmenten unterschiedlich sein. Auch hier wird die oben schon beschrieben Subjektivität der Bestimmung von Kundenzufriedenheit bzw. der zur Kundenzufriedenheit führenden Faktoren deutlich. Dies ermöglicht es auch Produkte so zu gestalten, dass die Zufriedenheit in einem bestimmten Kundensegment möglichst hoch ist. Überdies unterliegen diese Faktoren keiner zeitlichen Konstanz. Was früher ein Begeisterungsfaktor war, kann morgen als Basisfaktor angesehen werden.

Literatur

Bruhn, M. (2009). Das Konzept der kundenorientierten Unternehmensführung. In H. H. Hinterhuber & K. Matzler (Hrsg.). Kundenorientierte Unternehmensführung. Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung. Wiesbaden: Gabler.

Kano, N., Seraku, N., Takahashi, F., Tsuji, S. (1984). Attractive quality and must-be quality. Journal of the Japanese Society for Quality Control, 14, 39–48.

Kuß, A., Diller, H. (2001). Kaufrisiko. In H. Diller (Hrsg.). Vahlens Großes Marketing Lexikon. München: Beck Und Vahlen.

Nerdinger, F. W. & Neumann, Ch. (2007). Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In K. Moser (Hrsg.), Wirtschaftspsychologie. Heidelberg: Springer.

Schermer, F. F. (1998). Lernen und Gedächtnis. Stuttgart: Kohlhammer.

Stauss, B. & Neuhaus, P. (2006). Das Qualitative Zufriedenheitsmodell (QZM). In H. H. Hinterhuber & K. Matzler (Hrsg.). Kundenorientierte Unternehmensführung. Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung. Wiesbaden: Gabler.

Weitere Informationen

Die Kano-Methode